Kann ich Aktien leer verkaufen, obwohl ich als Kleinanleger über eingeschränkte finanzielle Mittel verfüge?
Die Frage stellt sich manchmal schon, wenn man über mögliche Gewinnaussichten sinniert.
Schauen wir doch mal, ob das machbar wäre?
Ich möchte mit dem folgendem Beispiel den Leerverkauf erläutern:
Ich gehe davon aus, dass die Aktien des Unternehmens Globotec aufgrund schlechter Bilanzkennzahlen fallen werden. Derzeit kostet die Aktie 90,00 Euro.
Bei meinem Broker leihe ich mir 100 Aktien des Unternehmens gegen eine kleine Gebühr und mit einer Leihfrist versehen. Dann verkaufe ich die Aktien für einen Kurswert von 90,00 Euro.
Auf meinem Konto werden 9000,00 Euro gutgeschrieben. Die Transaktionskosten lassen wir für dieses Beispiel unbeachtet.
Meine Vorhersage geht auf, und die Aktie fällt auf 75,00 Euro. Hier entscheide ich, dass mir der Gewinn ausreicht und ich die Aktien für 7500,00 Euro zurückkaufe. Die Aktien gebe ich an meinen Broker zurück. Dies muss innerhalb der zuvor vereinbarten Leihfrist erfolgen.
Von den 9000,00 Euro die ich eingenommen habe, musste ich für den Rückkauf 7500,00 Euro aufwenden. Die Differenz von 1500,00 Euro kann ich als Gewinn behalten.
In der realen Abrechnung sind vom Gewinn abzuziehen die Leihgebühr und die Transaktionskosten.
Zu beachten ist im Vorfeld:
Nehmen wir an, die Kennzahlen des Unternehmens fallen nicht so gut aus, wie erwartet und der Kurs der Aktie geht vielleicht für ein paar Stunden auf 86,00 Euro.
Dann veröffentlicht das Unternehmen eine Meldung, nach der eine aussichtsreiche Kooperation mit einem anderen Unternehmen kurz vor dem Abschluss steht. Der Kurs steigt auf 92,00 Euro. Dann passiert ein paar Tage nichts und der Kurs geht auf 87,00 Euro zurück.
Meine Prognose ist eingetreten. Die Kennzahlen waren tatsächlich schlecht. Die Meldung über eine aussichtsreiche Kooperation hat Verkäufer angelockt, die den Kurs wieder gehoben haben. Bestätigt sich die Meldung nicht, wird der Kurs fallen. Bestätigt sie sich, ist mein Geschäft vermutlich geplatzt, denn der Kurs wird gleich bleiben oder sogar steigen.
Kaufe ich die Aktien zum Kurs von 87,00 Euro zurück, kann ich einen Gewinn von 300,00 Euro verbuchen.
Nach drei Tagen bestätigt sich die Meldung und zusätzlich tritt ein neuer Investor auf den Plan. Der Kurs der Aktie steigt auf 104,00 Euro.
Jetzt steht ein Verlust von 1400,00 Euro, wenn ich sofort die Position schließen würde.
Nach zwei Tagen kommen erste Gerüchte von Bilanzmanipulationen beim Unternehmen Globotec auf. Der Kurs bröckelt auf 96,00 Euro ab.
Einen Tag später gibt die Staatsanwaltschaft die Einleitung eines Ermittlungsverfahren aufgrund des Verdachts der Bilanzfälschung bekannt. Die Kooperation wird aufgehoben, der Investor zieht sich zurück.
Der Kurs der Aktie fiel sofort auf 73,00 Euro. Nach zwei Tagen steht der Kurs bei 43,00 Euro.
Zu welchem Zeitpunkt hätten Sie die Position geschlossen?
Das Beispiel ist konstruiert, zeigt aber, welche Risiken der Leerverkäufer eingeht.Er kann falsch liegen oder er kann richtig liegen, aber zum falschen Zeitpunkt.
Zu einer richtigen Prognose ist auch noch der richtige Zeitplan erforderlich. Da der Kurs der Aktie theoretisch immer weiter steigen kann, ist das Verlustrisiko sehr hoch bis unbegrenzt.Es kann einen in den Ruin treiben.
Ein interessanter Fall eines misslungenen Leerverkaufes ist der Kursanstieg der GameStop-Aktie im Jahr 2021.
Der Hedgefonds Melvin Capital musste mit 2,75 Mrd. US-Dollar vor der Insolvenz gerettet werden und löste sich im Mai 2022 auf.
Der Hedgefonds hatte die Aktie GameStop leer verkauft. Die Zahlen des Unternehmens sahen wirklich nicht gut aus. Die Aussichten waren zum Zeitpunkt des Leerverkaufs ebenfalls nicht rosig. Der Einzelhändler für Videospiele hatte Mühe, sich an die Trends zu digitalen Downloads und Online Verkäufen anzupassen.
Über das Reddit-Forum r/wallstreetbets organisierten sich sehr viele Kleinanleger und trieben den Kurs des Unternehmens stark nach oben. Das Ergebnis war ein sogenannter “Short-Squeeze”, bei dem die Leerverkäufer gezwungen waren, die Aktien zu deutlich höheren Preisen zurückzukaufen und damit den Aktienkurs immer höher trieben.
Das Gleiche passierte auch bei den Unternehmen AMC Entertainment, Bed Bath & Beyond und Nokia.
Diese Aktionen sind sicher nicht typisch für den Aktienmarkt, zeigen aber, dass auch Kleinanleger über Macht verfügen können.
Wer sich für den Fall GameStop interessiert, dem empfehle ich den Film “Dumb Money”.
Möchte ich mit Leerverkäufen Gewinne machen muss ich folgende Bedingungen erfüllen:
Aus meiner Sicht sind Leerverkäufe für Kleinanleger nicht geeignet, da sie in der Regel nicht über ausreichende finanzielle Mittel und den erforderlichen Recherchemöglichkeiten verfügen.
Für den Zugang zu einem Bloomberg-Terminal, mit dem umfangreiche Recherchen zu Unternehmen möglich sind, bezahlt ein professioneller Trader etwa 24.000,00 US-Dollar im Jahr.
Trotzdem kann ein Kleinanleger auch auf fallende Kurse setzen. Hierzu habe ich bereits in anderen Blogbeiträgen Ausführungen gemacht.
Erkenne ich, dass ein Unternehmen Schwierigkeiten hat und ich rechne damit, dass sich das deutlich negativ auf den weiteren Kursverlauf auswirkt, habe ich verschiedene Möglichkeiten:
An diesem Beispiel wird deutlich, wie wichtig es ist, über ausreichendes Fachwissen zu verfügen.
Auch wenn ich den Handel mit Wertpapieren als Hobby oder als Nebenverdienst betreibe, sind Lernen und Üben die wichtigsten Voraussetzungen, um Erfolg zu haben.